Stabilisierung und Restrukturierung (StaRUG)

Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie (EU) 2019/1023 in nationales Recht hat der Gesetzgeber 2021 mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) ein zusätzliches, wirkungsvolles Werkzeug zur Restrukturierung von Unternehmen außerhalb der Regelungen der Insolvenzordnung geschaffen.

Die in der EU-Richtlinie klar formulierte Anforderung an die Mitgliedsstaaten lautete, einen „präventiven Restrukturierungsrahmen“ zu schaffen, dies hat der Gesetzgeber mit den neuen Möglichkeiten nach StaRUG erreicht. Das gesetzgeberische Ziel ist hier die Insolvenzvermeidung bzw. Insolvenzprävention. Unternehmen erhalten Instrumente zur Sanierung, bevor die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Das StaRUG bietet damit ein geordnetes Verfahren für Unternehmen in einem frühen Stadium der Krisensituation.
Möglich ist die Anwendung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen sowie für natürliche Personen, sofern deren Verbindlichkeiten einer unternehmerischen Tätigkeit eindeutig zuzuordnen sind. Der wesentliche Unterschied zu den Möglichkeiten der Insolvenzordnung besteht darin, dass das Verfahren auf der Voraussetzung einer „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ basiert, Zahlungsfähigkeit oder Überschuldung dürfen nicht eingetreten sein, folglich wird das Verfahren nicht öffentlich bekannt gegeben, die in der Insolvenzordnung vorgeschriebene Bekanntmachung entfällt.
Als eine der wesentlichen Neuerungen wurde die Möglichkeit geschaffen, außerhalb eines Insolvenzverfahrens in Gläubigerrechte einzugreifen: anders als beim Insolvenzplanverfahren, welches immer im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens geführt wird, bietet das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen die Chance, eine unternehmerische Neuordnung ohne die wertmindernden Auswirkungen einer Insolvenz und im Idealfall mit begrenzter Beteiligung der Gerichte zu erreichen.

Damit eröffnete der Gesetzgeber einen weiteren Weg neben der nicht geregelten, außergerichtlichen oder freien Sanierung, die rein auf Verständigung zwischen Schuldner und Gläubigern setzt und eine Zustimmung aller Betroffenen erforderlich macht.

StaRUG-Verfahren, Zugangsvoraussetzungen und Abgrenzung

Die als Voraussetzung geltende „drohende Zahlungsunfähigkeit“ ist anzunehmen, wenn der Schuldner über einen Prognosezeitraum von gewöhnlich 24 Monaten voraussichtlich nicht mehr in der Lage sein wird, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, insoweit gelten die Regelungen der Insolvenzordnung (§ 18 InsO).
Im Hinblick auf die ausdrücklich gewünschte, präventive Funktion des StaRUG definiert der Gesetzgeber eingangs unternehmerische Pflichten zu „Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement“ (§ 1 StaRUG): die Situation des Unternehmens ist fortlaufend zu überwachen, insbesondere im Hinblick auf Entwicklungen, die das Potenzial haben, den Unternehmensfortbestand zu gefährden. Bei Erkenntnis über solche Entwicklungen hat die zuständige Geschäftsleitung geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen und alle involvierten Organe des Unternehmens unverzüglich zu informieren. Weitergehende, anderweitig gesetzlich festgeschriebene Pflichten bleiben unberührt. Zu beachten sind hier insbesondere die gesetzlichen Regelungen zu Anzeigepflichten lt. Insolvenzordnung. Liegt bereits eine Zahlungsunfähigkeit vor oder ist diese unmittelbar zu erwarten, greift das StaRUG nicht.

Die Anwendung des StaRUG ist ebenfalls ausgeschlossen, sofern vorgesehene Restrukturierungsmaßnahmen Eingriffe in Rechte von Arbeitnehmern erforderlich machen (§ 4 StaRUG) oder Vertragsverhältnisse wie z.B. Mietverträge (§ 3 StaRUG) betreffen. Ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Insolvenzgeld besteht nicht.

Das Verfahren ist demnach ungeeignet, wenn die geplante Restrukturierung auf Personalmaßnahmen (Gehaltsverzicht, Personalabbau) und/oder Standortreduzierung setzt.

Verfahrenshilfen

Anders als bei Insolvenzverfahren nach InsO kennt das StaRUG keinen starren Ablauf. Im Gesetz ist keine Abfolge der Gerichtstermine festgelegt, vielmehr stehen modulare Verfahrenshilfen zur Verfügung - man spricht auch von „Instrumenten“ - die unabhängig voneinander und je nach Komplexität des Einzelfalls in Anspruch genommen werden können. Dies sind lt. § 29 StaRUG

  • Gerichtliche Abstimmung über den Restrukturierungsplan (gerichtliche Planabstimmung),
  • Gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (Vorprüfung),
  • Gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung (Stabilisierung)
  • Gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans (Planbestätigung).

Zu beachten ist dabei, dass die Einbeziehung des Gerichts möglich, aber nicht zwingend vorgeschrieben ist. Der Verfahrensablauf ist flexibel und gliedert sich grob in die Phasen des Planangebots - ein Restrukturierungsplan wird den Gläubigern angeboten -, der Planabstimmung sowie, nach erfolgter Annahme, zuletzt der Planumsetzung.

Restrukturierungsplan und Planangebot

Kern des Verfahrens ist der Restrukturierungsplan, der Parallelen, aber auch Unterschiede zum Insolvenzplan aufweist und letztendlich einen Vergleich mit den Gläubigern darstellt.

Anforderungen an den Restrukturierungsplan regeln die §§ 5 ff. StaRUG. Angelehnt an den Insolvenzplan gliedert sich auch der Restrukturierungsplan in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil.

Zusätzlich ist lt. § 14 StaRUG eine Erklärung zur Bestandsfähigkeit des Unternehmens sowie eine Ist-Beschreibung der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten beizufügen. Aufzuführen sind auch Forderungen, die vom Plan nicht berührt werden. Die Ausgaben- und Einnahmensituation und die Gewährleistung der Zahlungsfähigkeit für den Zeitraum, in dem die Gläubiger befriedigt werden, ist darzulegen. Weiterhin beizufügen sind lt. § 15 StaRUG ggf. Zustimmungserklärungen persönlich haftender Gesellschafter, Gläubiger sowie betroffener Dritter, sofern im Einzelfall erforderlich.

Der darstellende Teil lt. § 6 StaRUG umfasst das Sanierungskonzept mit Beschreibung der Grundlagen und Auswirkungen des Plans, alle für die Betroffenen entscheidungsrelevanten Angaben müssen enthalten sein. Sowohl Krisenursachen als auch geplante Maßnahmen zur Krisenbewältigung sind zu beschreiben.

Die Pflicht zur Einbindung aller Gläubiger entfällt. Der Schuldner kann relativ frei gestalten, welche Gläubiger (planbetroffene Gläubiger) und Forderungen (Restrukturierungsforderungen) er in das Verfahren einbezieht. Die Auswahl der Planbetroffenen hat nach sachgerechten Kriterien lt. § 8 StaRUG zu erfolgen, diese sind zu erläutern. Insbesondere sind die Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auf die Planbetroffenen in einer Vergleichsrechnung darzustellen. Zielt der Plan auf eine Fortführung des Unternehmens, ist diese Voraussetzung ebenfalls zu unterstellen für das Szenario ohne Anwendung des Plans.

Der gestaltende Teil (§ 7 StaRUG) legt fest, wie die Rechtsstellung der planbetroffenen Parteien durch den Plan geändert werden soll, geplante Forderungskürzungen oder -stundungen sind zu benennen.

Die vom Plan betroffenen Gläubiger sind nach den Vorgaben des § 9 StaRUG zu gruppieren, sofern der Plan in die Rechte von Gläubigern mit unterschiedlicher Rechtsstellung eingreift. Eine weitere Unterteilung kann nach gleichartigen wirtschaftlichen Interessen erfolgen, Kleingläubiger sind zu eigenständigen Gruppen zusammenzufassen. Innerhalb der Gruppen sind alle planbetroffenen Gläubiger gleich zu behandeln, Ausnahmen davon sind nur mit Zustimmung aller durch die Ausnahmeregelung belasteten Planbetroffenen möglich.

Die Auswahl der planbetroffenen Gläubiger und die Gruppierung sind essenziell für den Erfolg des Restrukturierungsplans, da innerhalb der Gruppen über die Annahme des Plans abgestimmt wird und die Zustimmung erteilt ist, wenn 75 Prozent der Stimmrechte je Gruppe dem Restrukturierungsplan zustimmen. Die Verteilung der Stimmrechte ergibt sich aus Art und Wert der jeweiligen Ansprüche, eine Mehrheit nach Köpfen ist nicht erforderlich.

Planbestätigung und Umsetzung

Auf Antrag des Schuldners kann eine gerichtliche Planbestätigung lt. § 60 StaRUG erfolgen, um die Wirkungen des Restrukturierungsplans auch gegen Gläubiger durchzusetzen, die gegen den Plan gestimmt haben. Hat zuvor eine gerichtliche Planabstimmung stattgefunden, ist die Anhörung der Planbetroffenen optional, nach einer außergerichtlichen Planabstimmung ist sie zwingend erforderlich.

Das Gericht kann die Planbestätigung von Amts wegen versagen (§ 63 StaRUG), wenn nötige Voraussetzungen nicht erfüllt sind, insbesondere, wenn keine drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt, der Restrukturierungsplan nicht die erforderlichen Kriterien erfüllt oder offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
Allen Planbetroffenen steht das Rechtsmittel der „Sofortigen Beschwerde“(§ 66 StaRUG) gegen den Gerichtsbeschluss zur Planbestätigung zur Verfügung, der Schuldner kann nur im Fall einer Ablehnung davon Gebrauch machen.

Mit der Planbestätigung treten die im Restrukturierungsplan festgelegten Wirkungen ein. Zur Umsetzung des Plans kann, ggf. von Amts wegen, ein Restrukturierungsbeauftragter (§ 73 StaRUG) bestellt werden. Vorschläge des Schuldners sind dabei vom Gericht zu berücksichtigen (§ 74 StaRUG), vom Vorschlag kann nur abgewichen werden, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich ungeeignet ist. Der Restrukturierungsbeauftragte steht unter Aufsicht des Restrukturierungsgerichts und ist verpflichtet, jederzeit Auskunft zu geben über Detailfragen oder den Sachstand. Stellt der Restrukturierungsbeauftragte seinerseits Umstände fest, die eine Aufhebung der Restrukturierung rechtfertigen, hat er diese dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

Die Insolvenzantragspflicht lt. § 15a InsO ruht während der Planumsetzung, das Eintreten einer Zahlungsunfähigkeit oder einer Überschuldung nach den Regelungen der Insolvenzordnung ist dem Restrukturierungsgericht dennoch unverzüglich durch die Antragspflichtigen zur Kenntnis zu bringen, der Verstoß ist strafbewehrt.

Schlussbemerkung

In den vergangenen drei Jahren hat sich der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen etabliert und ergänzt die zuvor vorhandenen Mittel wie das Regelinsolvenzverfahren, Insolvenzplanverfahren und Varianten wie die Insolvenz in Eigenverwaltung und das Schutzschirmverfahren um eine weitere Handlungsmöglichkeit, die allerdings nur im frühen Stadium einer Krise nutzbar ist.

Durch den modularen Aufbau - man spricht auch von „ Toolbox“ oder „Werkzeugkasten“ - hat der Gesetzgeber einerseits eine zusätzliche Option geschaffen, damit geht andererseits aber auch eine zunehmende Komplexität einher, nicht erst bei der Anwendung des Verfahrens, sondern bereits bei der Prüfung der je nach Situation möglichen Optionen. Die obige Zusammenfassung kann keine fachliche Beratung ersetzen, sie bietet lediglich einen Überblick über die Besonderheiten dieses doch noch recht neuen Verfahrens.

Eine wesentliche Rolle im Verfahren kommt dem Restrukturierungsbeauftragten zu, der das Verfahren nicht erst in der Umsetzung begleitet, sondern idealerweise frühzeitig zur Ermittlung des Ist-Stands und der daraus resultierenden Handlungsoptionen hinzugezogen werden sollte. Der Restrukturierungsbeauftragte wird dafür sorgen, dass die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden, begleitet die Erstellung des Restrukturierungsplans, moderiert die Abstimmung mit den planbetroffenen Gläubigern und fungiert ggf. als Kontaktperson zum Restrukturierungsgericht.

Beratung zum Restrukturierungsverfahren nach StaRUG

Als erfahrene und zertifizierte InsolvenzverwalterInnen, SachwalterInnen und ExpertInnen für Restrukturierung und Sanierung beraten die AnwältInnen der Kanzlei Bruckhoff - Dienstleistung mit Recht Unternehmen, Selbstständige und freiberuflich Tätige zu den Auswirkungen und Möglichkeiten des Verfahrens nach StaRUG. Unsere Kontaktdaten finden Sie auf den Seiten unserer Standorte Aachen, Bergisch Gladbach, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Köln, Troisdorf sowie Velbert.

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