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Steuerhaftung und Feststellung des Zeitpunktes der Insolvenz - Stellungnahmen auf Anfrage des Justizministeriums
Im März hatte sich das Bundesministerium der Justiz (BMJ) mit einer Prüfbitte zur Insolvenzordnung an die Fachverbände gewandt. Hintergrund war ein Hinweis des Bundesrechnungshofes (BRH) auf mögliche Vollzugshindernisse im Zusammenhang mit der Anwendung des § 15b Abs. 8 InsO, der im Hinblick auf steuerrechtliche Zahlungspflichten auf den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit abstellt. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hatte im Dezember 2020 eine Ergänzung des § 15b InsO durch den fraglichen Absatz 8 angeregt. Ziel war es, einen Konflikt aufzulösen, in den redliche Geschäftsleiter geraten können, indem sie entweder gegen Insolvenzrecht verstoßen durch selektives Begleichen von Steuerverbindlichkeiten oder gegen Steuerrecht, indem sie geschuldete Steuern nicht abführen. Die eingefügte Regelung sollte die Geschäftsleitenden darin bestärken, dass die Massesicherungspflicht Vorrang vor der Abführung von Abgaben hat.
Der BRH kritisierte, dass ohne Kenntnis des genauen Zeitpunkts der Insolvenzreife Geschäftsführer nicht frühzeitig in Haftung genommen werden könnten. Als Abhilfe wurde vorgeschlagen, den Finanzämtern künftig die erforderlichen Informationen über den Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenzreife dadurch zur Verfügung zu stellen, dass die vorläufigen Insolvenzverwalter oder externe Gutachter neben der Feststellung des Vorliegens der Insolvenzreife auch mit der Feststellung des genauen Zeitpunkts der Insolvenzreife beauftragt werden.
Nach fachlicher Einschätzung im BMJ hält man es nicht für geboten, der Anregung des BRH zu folgen - Gegenstand des Eröffnungsverfahrens sollten allein die Eröffnungsvoraussetzungen bleiben, zumal die Ermittlung des genauen Zeitpunkts mit erheblichem Aufwand verbunden sein kann. Zu dieser Frage hatte sich das BMJ mit Prüfbitten an Verbände wie die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und den Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) gewandt.
Übereinstimmende Bewertung der Interessenverbände
Die Verbände schließen sich in ihren Bewertungen der Einschätzung des BMJ an und empfehlen, den Vorschlag des BRH abzulehnen.
Die BRAK hält § 15b Abs. 8 InsO für eine sinnvolle Regelung, um Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer durch Entlastung zu einer rechtzeitigen Insolvenzantragstellung anzuhalten, da nach wie vor die meisten Insolvenzverfahren zu spät eröffnet würden. Zudem verstoße die vom BRH angeregte Änderung gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Diese Einschätzung wird in der Stellungnahme des VID bestätigt. Auch dort wird der Vorschlag des BRH mit dem Hinweis auf eine einseitige Bevorzugung der Steuerbehörden ohne ausgewogene Lösung für alle Gläubigergruppen abgelehnt. Die BRAK verweist zudem auf den zusätzlichen bürokratischen Aufwand, der VID darauf, dass der Vorschlag des BRH keine Antwort auf die zusätzlichen Kosten und die praktischen Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren gebe.
Auch der Gravenbrucher Kreis hat sich in dieser Frage geäußert und wendet sich ebenfalls gegen die vom BRH vorgeschlagene Privilegierung der Finanzämter gegenüber anderen Gläubigern. Auch hier wird auf den unverhältnismäßigen Aufwand und den fehlenden Nutzen für die Gesamtheit der Gläubiger verwiesen, insbesondere wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen wird.
Die Rechtsanwältin und zertifizierte Insolvenzverwalterin Linda Nowak teilt die Einwände der Interessengruppen: „Der Nutzen des BRH-Verschlags erschließt sich meines Erachtens nicht. Im Gegenteil, die Feststellung des Zeitpunkts in diesem frühen Verfahrensstand schafft zusätzliche Unsicherheiten, verzögert das Verfahren womöglich und stellt zudem einen weiteren Kostenfaktor zu Lasten der Gläubiger dar.“
Quellenhinweise:
Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme 10/25, April 2025, „Stellungnahme zu § 15b Abs. 8 InsO“
Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID), Stellungnahme, 01.04.2025 „Stellungnahme zur Prüfbitte zu § 15b Abs. 8 InsO“
Gravenbrucher Kreis, Aktuelles vom 31.3.2025, „Gravenbrucher Kreis gegen weiteres Sonderrecht des Fiskus“