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Die Insolvenzentwicklung im vergangenen Jahr und ein Blick auf die mediale Berichterstattung

Zum Ende des vergangenen Jahres häuften sich in der Medienberichterstattung Meldungen über die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen, die geradezu dramatisch klangen: Von „sprunghaften“ Anstiegen, „massiven“ Zuwächsen und „besorgniserregenden“ Entwicklungen war die Rede. Richtig ist, dass das Land in den letzten Jahren und im Nachgang der Corona-Krise erhebliche Steigerungen der Fallzahlen gerade in den besonders betroffenen Branchen wie Baugewerbe, Handel und Dienstleistungssektor erlebt hat - wir haben regelmäßig darüber berichtet. Fachanwalt für Insolvenz und Sanierungsrecht Dr. Holger-René Bruckhoff warnt dennoch vor einer übertriebenen Berichterstattung: „Natürlich geht es mir nicht darum, die Situation zu beschönigen. Was mir aber in der medialen Resonanz zu kurz kommt, ist eine realistische Einordnung im langjährigen Vergleich. Ich erinnere an die Jahre 2000 bis 2010 mit durchschnittlichen Zahlen von über 30.000 Unternehmensinsolvenzen pro Jahr.“  Der aktuelle Anstieg sei nicht zuletzt deshalb so deutlich, weil Maßnahmen im Zuge der Pandemie wie die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und staatliche Stützungsmaßnahmen, aber auch die anhaltende Niedrigzinsphase die Zahlen zuvor auf ungewöhnlich niedrigem Niveau gehalten hätten.

Einordnung des Insolvenzgeschehens durch Fachverbände

Rechtsanwältin und Insolvenzverwalterin Linda Nowak betont, dass auch die Berufsverbände die Entwicklung weniger dramatisch einschätzen als es die Presseberichterstattung suggeriert. So verweist der Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) auf die deutlich höheren Werte aus der Zeit der Finanzkrise und spricht, wie bereits berichtet, weiterhin nicht von einer Insolvenzwelle. Auch die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung (AGIS) im Deutschen Anwaltverein (DAV) hat sich inzwischen in einer Pressemitteilung ähnlich geäußert und legt Wert auf eine realistische Einordnung der Zahlen, wobei auch hier auf die temporär veränderten Rahmenbedingungen in den Pandemiejahren verwiesen wird.

Darüber hinaus wird die Entwicklung des deutschen Insolvenzrechts nach 1999 beleuchtet - der Gesetzgeber verfolgte durchaus das Ziel, dass mehr Insolvenzverfahren eröffnet werden, hat aber durch die Schaffung von Sanierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren auch verbesserte Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Sanierung und Fortführung von Unternehmen in der Krise geschaffen. Die Co-Vorsitzende der AGIS, Dr. Anne Deike Riewe, erklärt in der Pressemitteilung: „So kann ein Fall aus der Insolvenzstatistik auch ein für die Zukunft wieder gut aufgestelltes Unternehmen bedeuten, während an anderer Stelle Unternehmen ohne geordnetes Verfahren den Betrieb einstellen und vom Markt verschwinden“.

Dieser Ansicht schließen sich Linda Nowak und Dr. Holger-René Bruckhoff, zertifizierte Insolvenzverwalter und Partner der Kanzlei Bruckhoff - Dienstleistung mit Recht, an und verweisen auf die Sanierungs- und Restrukturierungsmöglichkeiten im Rahmen der Insolvenzordnung und die zusätzlichen Chancen durch das StaRUG. Grundsätzlich gelte, dass beide Verfahren eine wirtschaftliche Neuausrichtung als Basis für eine erfolgreiche Transformation des Geschäftsmodells ermöglichten. Eine detaillierte Ist-Analyse kann aufzeigen, welcher Verfahrensweg im Einzelfall geeignet ist. Die Grundzüge der Verfahren erläutern wir in unseren Servicebeiträgen

Quellenhinweise:
Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung (AGIS) im Deutschen Anwaltverein (DAV), Pressemitteilung Nr. 10/24: Einordnung aktueller TV-Berichterstattung: Nachholeffekte aus Coronajahren wirken sich auf Unternehmensinsolvenzen 2024 aus

Statistisches Bundesamt, Insolvenzen nach Jahren